Antwort an einen Rassisten

Heute wurde mir ein Beitrag für den Schwarzen Kater angeboten. Über solche Angebote freue ich mich normalerweise. Nicht in diesem Falle. Es handelt sich um diesen Text, den der Autor an mehreren anderen Stellen im Netz untergebracht hat. Man sieht sofort, warum ich den Beitrag hier nicht veröffentlichen, ja, nicht einmal zitieren will.

Der Kommentar ging also beschleunigt in den Papierkorb. Aber die Höflichkeit – und vielleicht ein naiver Glaube an das Gute und Kluge im Menschen – gebot mir, dem Absender meine Entscheidung zu begründen. Hier die Antwort, die ich ihm geschickt habe:

„Sehr geehrter Herr Neumann,

danke für Ihren angebotenen Beitrag. Allerdings hätten Sie vielleicht erst einmal meine Beiträge zu Migration, Integration und PEGIDA lesen sollen. (Etwa hier: https://derschwarzekater.wordpress.com/2014/12/15/integration-mit-dem-fremden-uber-das-fremdsein-reden/ oder hier: https://derschwarzekater.wordpress.com/2014/12/03/der-ewige-rassist/ oder hier: https://derschwarzekater.wordpress.com/2014/01/27/kultur-und-geld-eine-west-ostliche-autofahrt/)
Dann hätten Sie erkennen können, dass ich keine andere Wahl habe, als Ihren Beitrag auf geradem Wege in den Papierkorb zu befördern. Dass ich (auf Werben meines Dresdner Freundes hin) für einen Dialog mit den Pegida-Teilnehmern geworben habe, heißt nicht, dass ich auch nur die geringste Sympathie für Nationalismus oder rassistische Hetze habe. Und darum – Verzeihung – handelt es sich bei Ihrem Beitrag. Wenn Sie ihn noch einmal nüchtern durchlesen, wird Ihnen vielleicht selbst die völlige Abwesenheit von Argumenten oder konkreten Lösungsangeboten auffallen.
Das Einzige, was ich mit Ihrem Beitrag anfangen könnte, wäre, in einer eigenen Antwort ein Exempel zu statuieren und ihn Satz für Satz zu zerpflücken. Aber dazu fehlen mir Zeit und Lust, und es dürfte auch nicht das sein, was Sie sich erhofften.

Ich bezweifle, dass es zwischen Ihnen und mir zu einem fruchtbaren Dialog oder irgendeiner Form von Annäherung kommen kann, und darum möchte ich Sie bitten, den Kontakt hiermit auch zu beenden. Aber ich möchte Ihnen noch zwei Gedanken mit auf den Weg geben:
1. Derzeit geht es m.E. überhaupt nicht darum, ob einige Hunderttausend Einwanderer aus muslimischen Ländern die deutsche Kultur bedrohen (was sie mit Sicherheit nicht tun). Es geht auch nur nachrangig darum, ob sie hier eine längerfristige Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis etc. bekommen. Sondern es geht erst einmal ganz unmittelbar darum, dass kurz vor dem Winter (bzw., weiter östlich, schon mitten darin) Zehntausende von Menschen (und darunter, anders als Sie schreiben, etwa zur Hälfte Frauen und Kinder) ohne Obdach in Europa unterwegs sind. Es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass diesen Menschen geholfen werden muss. Ob sie dann im Frühjahr wieder abgeschoben werden, ist ein andere Frage.
2. Die Wurzeln des Abendlandes, dessen Bewahrung Sie und Ihresgleichen so selbstgewiss im Munde führen, sind das Christentum und die Aufklärung. Wie stark Sie das Eine oder die Andere in den Vordergrund rücken, bleibt Ihren persönlichen Vorlieben überlassen.
Das zentrale Gebot Jesu Christi lautet: „Du sollst den Herrn, Deinen Gott, ehren, und Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst.“ Oder konkreter: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen […] Was ihr für die geringsten unter meinen Brüdern und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan“ (http://www.die-bibel.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/bibeltext/bibelstelle/mt%2025,%2031-46/).
Das zentrale Gebot der Aufklärung hingegen lautet: „Handle stets so, daß die Maxime Deines Handelns jederzeit zur Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung werden könnte!“ (Immanuel Kant) Alle Aufklärer, ob Kant, Lessing oder Voltaire, haben für religiöse Toleranz, Menschlichkeit und einen rationalen Diskurs gekämpft.
Angesichts dieser Kernbestände unserer Kultur frage ich mich dann natürlich, welche Schimäre Sie verteidigen, und warum?

Mit besten Grüßen,
Konrad Lehmann „

8 Kommentare zu “Antwort an einen Rassisten

  1. djoellenbeck sagt:

    Lieber SchwarzerKater,

    ich habe mich sehr über die klar und prägnant formulierte Antwort auf den „besorgtenBürger“ gefreut! Wegen Ihrer klaren, kompromisslosen ethischen Kommentierungen aktueller Probleme, habe ich Ihren Blog abonniert.

    Ich fahre jedes Jahr mit einer Schülergruppe nach Bierun in Polen, eine Kleinstadt in direkter Nachbarschaft zu Auschwitz, welches wir jedes Jahr besuchen. Bei der Nachbesprechung des Auschwitz-Besuches mit den Schülern erlaubte ich mir (die Frage ist ja immer, was bedeutet Auschwitz und die NS -Vergangenheit für uns heute) den Bogen zur aktuellen „Flüchtlingskrise“ und den Umgang damit zu spannen.

    Eine Schülerin brachte die Bemerkung an „das sind lauter große Leute, die da jetzt zu uns kommen“ (also Oberschicht, die jetzt die hier lebenden kleinen Arbeiter verdrängen wollen, andere, wie eine pensionierte Kollegin verbreiten das Gegenteil, es seien lauter ungelernte, wie sie recherchierte, wie sollten die unserer Industrie helfen, die würden nur die allgemeine Kopftuchpflicht für Frauen durchsetzen, wir hätten ja jetzt auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung zwei Kommunisten an der Spitze der Regierung, in 20 Jahren dann Islamisten …).

    Das mit der beneideten Oberschicht kann man gut in den, aus Anlass des Jahrestages der Deportation der Juden aus Südbaden nach Gurs in der BZ erschienenen Artikel und Fotos („still schauten die deutschen zu“) nachvollziehen, die still zuschauenden freuen sich schon drauf die Häuser und den Hausrat der „entsorgten“ jüdischen Mitbürger als Schnäppchen zu erstehen.

    Ihre Antwort ist die einzig richtige – es geht um eine humanitäre Notlage, in der geholfen werden muss!!! (Vergleich Nazizeit: kein europäisches Land wollte die jüdischen Flüchtlinge ohne großes Geziere einfach aufnehmen, England wollte keine Juden, hat ein großes Flüchtlingsschiff wieder aufs Meer raus geschickt, damit es von deutschen U-Booten zerbombt werden konnte, die Schweiz nicht, das Vichy Regime hat den überraschenden Judentransport aus Südbaden direkt ins Lager Gurs geschickt, die Schweiz hat sich geziert – die Amerikaner ebenso und hätten ohne Probleme nach erfolgter Luftaufklärung die Verwaltungszentrale des Lager Auschwitz bombardieren können – etc. )

    Das Heute erinnert mich da doch sehr an die Notlage der jüdischen Flüchtlinge damals: Osteuropa hat Angst vor Pest und Cholera, man sei ja nicht an die Bakterienflut dieser Menschen angepasst – , die EU bekommt keine Einigkeit gebacken, Ungarn baut Zäune bei uns kriechen die besorgten Bürger aus den Löchern ihrer gefrusteten Existenz….

    Das ausgerechnet Deutschland einen (vermeintlich, die Griechen, Türken, Italiener, die direkten Grenznachbarn haben viel mehr Flüchtlinge) großen Anteil aufnimmt und es trotz obigem doch eine relativ große Willkommens- und Hilfsbereitschaft gibt, tut mir gut, finde ich richtig und gerecht – und die Auseinandersetzung dieser guten Energien mit den wieder aufkeimenden dunklen Energien wird in Zukunft zeigen, ob „wir“ Deutschen etwas dazugelernt haben in den letzten 65 Jahren ….

    Und: was wir uns alle bewußt machen sollten: wir leben schon längst in „einer Welt“. Das weiß die Industrie schon längst. Man muss nur mal den eigenen Hausrat durchforsten – die Jugend fliegt als Backpacker um die ganze Welt – und die Krisen von heute haben ihren Ursprung in den ignoranten, nach eigenem Gutdünken und zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil gezogenen Grenzen in den ehemaligen europäischen Kolonialmächte und unseres daraus erwachsenen heutigen globalen Wirtschaftsystems …

    Gerade kam übrigens ein Artikel in der BZ, dass Deutschland dieses Jahr wieder Milliarden mit Rüstungsexporten verdient hat …..

    So, also nochmal vielen Dank, mit freundlichen Grüßen,

    Dorothee Jöllenbeck

    >

  2. Peter Finke sagt:

    Gut, Konrad!

    Univ.-Prof. em. Dr. Dr. h.c. Peter Finke

    Theory of Science, Citizen Science and Cultural Ecology

    Former Universities: Bielefeld, Witten-Herdecke (Germany), Debrecen (Hungary)

    Actual links:

    Telepolis- Interview (Heise online): http://www.heise.de/tp/artikel/43/43421/1.html

    DLF-Mediathek „Zwischentöne“ mit PF: http://www.deutschlandfunk.de/musik-und-fragen-zur-person-der-wissenschaftstheoretiker.1782.de.html?dram:article_id=323651

    Agentur Zukunft/Solarify- Interview: http://www.solarify.eu/2015/08/06/781-buergerwissenschaftler-werden-uns-noch-positiv-ueberraschen/

    Actual publications:

  3. Dampfbloque sagt:

    Vielen Dank für diese tolle und einzig vernünftige Reaktion. Besonders der Bezug auf die Bibel gegen Ende der Antwort ist wie Wasser auf diverse Mühlen in meinem Gehirn. Ich persönlich bin (was Religionen und Konfessionen angeht) nicht gläubig. Aber wenn sich jemand eine Religion auf die Fahnen schreibt und um deren grundlegenden Werte fürchtet, muss auch ich (wenn auch nur recht polemisch) das Pferd von hinten aufzäumen und die Motivationen der Hetzer dekonstruieren.
    Das war mir einen Artikel wert: https://dampfbloque.wordpress.com/2015/10/01/ich-haette-da-mal-ein-bis-zwei-fragen/

  4. Horst sagt:

    Als damals das Internet an den Start ging, da dachte ich: Ja, jetzt werden die Geknechteten und Ausgebeuteten sehen und kommen. Und ja, sie sollen kommen, denn diese Welt- und „Werteordnung“ muss überrannt und niedergetrampelt werden, denn eine menschenwürdige Kommunikation wird das INTERNET auch nicht gestalten, dazu ist das Bewusstsein vielzu UNKOMPATIBEL – Und so war es leider auch kein Wunder, als der „arabische Frühling“ den Menschen hier und dort keine wirkliche Wahrhaftigkeit brachte!

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